Nach der klassischen Wachstumstheorie vergrößert sich die Wirtschaftsleistung durch einen stärkeren Einsatz der Produktionsfaktoren Arbeit, Kapital und Land. Zudem gilt, je mehr Kapital oder Arbeit eingesetzt wird, desto kleiner wird die Leistung jeder zusätzlichen Einheit. Ein einfaches Beispiel: Kauft man eine Maschine für zehn Arbeiter in einer Fabrik, ist der Leistungsgewinn deutlich größer als beim Kauf einer zweiten Maschine. Höhere Investitionen, mehr Arbeit und die Erschließung von Land, sprich Rohstoffressourcen, sorgen für das Wachstum und den Gewinn einer Volkswirtschaft. Die vorhandene Technologie gibt vor, wie effektiv die Faktoren kombiniert werden können. Investitionen in Form einer Weiterentwicklung der Produktionstechniken können durch eine effektivere Kombination der Faktoren für Wachstum sorgen. Dies gilt auch, wenn nicht mehr Kapital, Arbeit oder Land zu Verfügung stehen.
Seit der industriellen Revolution brachten Erfindungen stets großes Wachstum. Und der Wohlstand großer Teile der Gesellschaft erreichte durch die Verbreitung neuer Technologien ungeahnte Höhen. Mitte des 18. Jahrhunderts fand diese ihren Anfang. Erst kam die verbesserte Dampfmaschine des britischen Ingenieurs James Watt. Zu Anfang wurde sie im Bergbau eingesetzt, es folgte die Mechanisierung der Textilindustrie und die revolutionäre Lokomotive. Diese Innovationen waren die Wegbereiter einer ganzen Flut von neuen Erfindungen und eines neuen Zeitalters der Wissenschaft und des Ingenieurwesens. 1885 baute Carl Benz das erste Automobil. In der Chemie wies Justus Liebig 1840 nach, dass Stickstoff, Phosphate und Kalium das Wachstum von Pflanzen beschleunigen.
Es ist nicht ganz eindeutig, was den dynamischen Erfindungsschub und die rasante Verbreitung der Innovationen ermöglichte. War es die Aufklärung, die der freien Entfaltung des menschlichen Verständnisses mehr Bedeutung einräumte? War es das kapitalistische System in Großbritannien, das freie Gelder schnell in Profit versprechende Projekte umleiten konnte? Oder war es der zufällige Genius einzelner Personen? All das spielt wohl zusammen. Was unumstößlich scheint: Im 18. Jahrhundert hat die Menschheit unumgänglich den Weg des Fortschrittes eingeschlagen. Computer werden immer schneller, Software immer intelligenter. Das Internet ermöglicht eine pfeilschnelle Kommunikation und Zusammenarbeit über größte Distanzen. Der Fortschritt in der Gentechnologie verspricht eine neue grüne Revolution. Das Potenzial der Biotechnologie scheint schier unerschöpflich. All dies verspricht auch für die Zukunft hohe Produktivitätszuwächse.
Laut dem US-Ökonomen und Produktivitätsforscher Robert Gordon hat der technische Fortschritt und die damit verbundenen Produktivitätszuwächse allerdings seinen Zenit überschritten. Die Zeiten des kräftigen Wachstums sind für die führenden Industrieländer schlicht vorbei. Die bahnbrechenden großen Würfe der drei vorangegangenen Industrierevolutionen lassen sich nicht mehr wiederholen, eigentlich seien sie gar ein »Ausrutscher« in der menschgemachten Geschichte. Das wirklich Tragische daran sei, dass dieser Fortschritt nicht gleich auf der Welt verteilt ist. Wir haben Ungleichgewichte geschaffen und gefördert, haben viele dabei zurückgelassen und vergessen. Wir haben Wohlstand gewonnen, weil andere verloren haben. Die Washington Post nannte ihn den deprimierendsten Ökonomen des Landes. Er selbst hat einmal über sich gesagt, er wäre hocherfreut, wenn er sich irre. Wir sind davon überzeugt, dass die Wirtschaft vor einem neuen Verständnis steht, das das Wachstum nicht mehr als eine rein ökonomische Kategorie begreift, sondern als Kombination von gesellschaftlichen, ökologischen und menschlichen Aspekten. Eine Perspektive, die Wachstum weder glorifiziert noch problematisiert, sondern als Lösung versteht, um unser geschlossenes System, das unsere Erde nun mal ist, resilienter und nachhaltiger zu machen. Eine Globalisierung nach traditioneller Denkart ist überholt und nicht mehr haltbar, denn zu groß ist die Gefahr zukünftiger transnationaler Konflikte.
Das alles durchdringende Markt-Konkurrenz-Rendite-Prinzip, befeuert durch die spekulativen Teile der Finanzmärkte mit ihren irrationalen Auswüchsen, steht dieser Perspektive bisweilen entgegen. Dies ändert allerdings nichts an dem Umstand, dass wir an einem Wohlstand aller interessiert sein müssen, um diese Ungleichgewichte abzubauen. Es ist schlicht ein Gebot der Fairness. Gelingt uns dies unter der Einbindung innovativer Zukunftstechnologien, können wir nachhaltig und sozial verantwortungsvoll wachsen. Klingt ein wenig wie eine andere Welt. Das erste Weltsozialforum tagte Anfang 2001 im Porto Alegre. Dort sprach auch die indische Schriftstellerin und Aktivistin Arundhati Roy: »Eine andere Welt ist nicht nur möglich. Sie ist im Entstehen. An einem stillen Tag höre ich sie atmen.«