Was schert mich meine Kuh von gestern?!

04.02.2023 | Food-Technologie

Seit geschätzt mehr als 10.000 Jahren domestiziert der Mensch Tiere und nutzt diese als Milchproduzenten: der Beginn der Milchwirtschaft. Einer Industrie, in der weltweit im Jahr 2021 rund 870 Milliarden US-Dollar umgesetzt wurden.

Heute ist die Milchkuh zweifelsohne  weltweit der Hauptlieferant für das Ausgangsprodukt der meisten unserer Milchprodukte. Die Produktionsmenge einer einzelnen Kuh wurde dabei im Laufe der Jahrhunderte durch Züchtung von ca. 5 Litern der Urkuh, auf heutzutage rund 50 Liter pro Tag gesteigert. Dabei stieg gleichzeitig auch das Gewicht von Kühen um mehr als 400kg.

All dies ist nicht unproblematisch: so rückten vor allem das Tierwohl und der Klimaschutz immer mehr und mit Recht in den Fokus. So ist die Milchindustrie mit ihren wichtigsten Mitarbeitenden für rund 3,5 % der Klimaemissionen weltweit verantwortlich, denn Kühe rülpsen im Schnitt alle 45 Sekunden und stoßen dabei klimaschädliches Methan aus.

Die wachsende Anzahl der Weltbevölkerung und der damit scheinbar verbundene steigende Bedarf an Milchprodukten werden die Situation weiter verschärfen, unabhängig von anderen damit zusammenhängen Problemen und Herausforderungen. Zum Vergleich: die Schiff- und Luftfahrtindustrie verursacht weniger CO2-Emissionen.

So wird seit geraumer Zeit an Verbesserungen und Lösungen der Situation gearbeitet. Neben optimierten Futtermitteln wurden Kühe sogar mit speziellen Masken versorgt. Aber auch hier macht die Technik nicht halt: nach über 10.000 Jahren steht das Milchvieh vielleicht in absehbarer Zeit ganz vor dem aus, wenn auch nicht „Morgen“.

Und jetzt wird es verrückt: die 2020 mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Genschere CRISPR kommt hier bei einem neuartigen Verfahren namens Präzisionsfermentation zum Einsatz. Dabei werden Gensequenzen, die bei Kühen für die Produktion von Milchproteinen verantwortlich sind, präzise herausgeschnitten und in bestimmte Hefen eingesetzt, welche in Bioreaktoren gezogen werden. Da Hefen lebende Organismen sind, müssen diese ebenso mit Nahrung versorgt werden, wie Milchkühe. Nur kommt hier statt Gras Stickstoff und Kohlenstoff zum Einsatz, wobei letzterer aus Methanol gewonnen werden könnte.

Der Clou: Methanol wiederum kann aus klimaschädlichem CO2, welches einfach aus der Luft gebunden wird, hergestellt werden – somit würde nicht nur die Luft sauberer, sondern wäre auch durch weniger werdendes Milchvieh einer deutlich geringeren Neubelastung mit klimaschädlichen Emissionen ausgesetzt.

Darüber hinaus: es wird weniger Platz für die Rinderherden benötigt. der hohe Wasserverbrauch von über 700 Litern pro Liter Milch würde extrem sinken und Experten gehen davon aus, das Milch aus dem Bioreaktor, bei Herstellung im industriellen Maßstab, bis zu 50% günstiger ist.
In Asien und den USA sind bereits erste Produkte mit Milch aus dem Bioreaktor erhältlich, wie z.B. Käse. Durch das strengere Zulassungsverfahren in der EU wird hier in frühestens 2-3 Jahren mit entsprechenden Produkten zu rechnen sein.
Übrigens: in der EU darf nur die Milch von Kühen auch als „Milch“ bezeichnet werden. Für alle anderen Tiere muss zwingend die Tierart mit angegeben werden, z.B. Schafsmilch. Was bedeutet das wohl für die „Reaktormilch“?